Patienten erzählen

Fit nach Knie-OP

Sebastian Drechsler - ein Kerl wie ein Baum. 33 Jahre alt, groß, sportlich, topfit, ehemaliger Kader-Judoka des Deutschen Judo-Bunds. Mit einer Achilles-Ferse. Die befindet sich bei ihm allerdings am Knie. Schon seit seiner Jugend hat Sebastian Drechsler Schwierigkeiten mit seiner Kniescheibe. Unter Belastung und Drehung ist sie in der Vergangenheit immer wieder herausgesprungen. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern führt auf die Dauer auch zu einer Instabilität des gesamten Kniegelenks. Im Laufe der Jahre haben zudem die Bänder und Sehnen des Knies gelitten, so dass ein operativer Eingriff nun mit Anfang 30 unumgänglich wurde. Dieser sollte im September 2020 im Bergmannsheil Buer bei einem befreundeten Chirurgen stattfinden. „Bei der Aufnahme wurde ich aber positiv auf Corona getestet“, sagt Sebastian Drechsler. Obwohl völlig symptomfrei musste alles abgesagt werden und Sebastian Drechsler ging in Quarantäne. „Wegen der Corona-Pandemie verzögerte sich der Eingriff letztendlich bis Januar 2021“, berichtet Drechsler weiter. „Ich habe keinerlei Erfahrung mit Operationen. Das war der erste Eingriff. Er wurde minimalinvasiv vorgenommen und nach vier Tagen konnte ich schon wieder das Krankenhaus verlassen.“

Und was kam dann? Erst einmal nicht sehr viel. Zweimal in der Woche gab es Physiotherapie. „Ich habe immer ein Gefühl von Instabilität gehabt“, so Drechsler. „Die Kraft kehrte nicht so zurück, wie ich das erwartet hatte und es gab kein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen dem rechten und dem linken Bein. Das betraf gar nicht den Sport, sondern es hat mich im normalen Alltag eingeschränkt. Normales Laufen ging noch, aber schon beim Treppensteigen habe ich immer so eine Knackbewegung gemerkt und ich bin etwas nach innen eingesackt. Und das wurde und wurde nicht besser. Irgendwann wird diese Instabilität zu einer Kopfsache und ich habe richtig Angst bekommen, das Knie normal zu belasten.“  

Zusätzlich zur verordneten Physiotherapie hat Sebastian Drechsler selbst noch am Muskelaufbau gearbeitet. „In dem Zeitraum nach der OP konnte ich trotz Lockdown glücklicherweise an den Kraftgeräten des Judovereins trainieren, weil ich alleine in dem Raum war. Aber ich habe da als Sportler trainiert, nicht als Patient, der nach einem Eingriff aufbauen muss. Das war ein gesundes Halbwissen, aber meine Belastungsgrenzen oder spezifische Übungen aus der Reha kannte ich ja nicht.“ Er betont, dass es eben ein sehr großer Unterschied sei, ob man als Leistungssportler an Kraftgeräten trainiere, um seine Fitness bei Gesundheit auszubauen, oder als Rehapatient nach einer Verletzung. Hier zählten ganz andere Parameter, als jene, die er beim Training im Blick habe. Es gehe um Kniestellung, Bewegungsverlauf und -fluss und nicht um die schiere Anzahl der Wiederholungen oder eine ständig gesteigerte Kraftleistung. Auch wenn er als Leistungssportler durchaus ein ausgeprägtes Körpergefühl und Wissen über die Physiologie des Körpers habe: Einen zielführenden Wiederaufbau seiner Leistungsfähigkeit aber habe er ohne Unterstützung und nur im vereinseigenen Kraftraum keinesfalls leisten können. Das sei ihm schnell klar geworden, so dass er bei seinem behandelnden Arzt den Wunsch eine Rehabilitation zu machen äußerte. Dies befürworte dieser ausdrücklich.

Jedoch gestaltete sich aber die Antragstellung nicht so einfach – die möglichen Kostenträger sahen keine Notwendigkeit für eine Reha und lehnten die Kostenübernahme ab. „Erst nach einem Einspruchsverfahren wurde eine Reha bewilligt“, sagt Drechsler über die Hürde, die er noch zu überwinden hatte. „So ist auch zu erklären, dass die OP Anfang des Jahres durchgeführt wurde und ich erst im Sommer in die Reha gegangen bin.“ 

Ins medicos ist er dann auf seinen gezielten Wunsch hin gegangen. „Durch meinen guten Freund Ersan Özen, der hier den Bereich Gesundheits- und Trainingsmanagement leitet, wusste ich, dass es im medicos die Möglichkeit gibt, auch eine sportartspezifische Reha zu absolvieren. Diese ist nicht nur auf eine gesunde Funktionalität im Alltag ausgerichtet, sondern berücksichtigt die besonderen Ansprüche von Sportlern und Tänzern an ihre körperliche Leistungsfähigkeit. Das wollte ich unbedingt. Denn mein Ziel war nach wie vor die Rückkehr in den Judo-Sport.“ 

Zu seinem Rehastart sagt Drechsler: „Am ersten Tag wurde ich zunächst in die ‚normale‘ Reha eingeordnet“, erzählt Drechsler. „Allerdings merkte ich sehr schnell, dass das für mich nicht zielführend ist. Also habe ich meinen behandelnden Arzt, Herrn Zolotarevskiy, angesprochen und er hat dafür gesorgt, dass ich umgehend in die Sportlergruppe komme.“ Der Trainingsplan sei dann direkt angepasst worden. Auf die Nachfrage, ob es ein Trainings- oder nicht doch ein Rehaplan sei, antwortet Drechsler lachend: „Nee, es war schon so etwas wie ein Trainingsplan. Ich kenne das vom früheren Kadertraining und der Unterschied ist da nicht wirklich groß. Im Rahmen dieser lag der Fokus natürlich vor allem in meinem Fall auf Beintraining. Aber die Intensität ist sehr hoch und es ist alles sehr gut aufeinander abgestimmt. Den größten Anteil nimmt aktive Therapie, also Training, Muskelaufbau und aktives Üben ein. Die passiven Anteile wie Massage, Elektrotherapie und Fango sind höchstens ein Viertel der Gesamttherapie.“

Die Gruppe habe aus Fußballern und Tänzern bestanden und sei von Sportwissenschaftler Alfred Achtelik begleitet worden.  „Das war phänomenal. Eigentlich müsste man jede Übung aufschreiben. Wir haben jedes Mal etwas Neues gemacht, ständig Varianten trainiert. Und viele der Übungen sind auch für Zuhause tauglich, das heißt, ich kann sie immer noch für mich nutzen“, so Drechsler. Ganz besonders sei gewesen, dass es immer wieder Testungen wie Isokinetiktests und Zwischenevaluationen gegeben habe, die seinen aktuellen Stand dokumentiert haben. „So konnte  man den Therapieerfolg messbar verfolgen und einordnen.“  Besonders beeindruckt habe ihn die individuelle Begleitung jedes einzelnen: „Ich hätte mich alleine nie aufs Laufband getraut. Mein Gangbild war nicht wie vor der Verletzung, Laufen fühlte sich irgendwie sonderbar an. Aber Alfred hat mich ermutigt, mich dabei begleitet, mit mir zusammen die Belastbarkeit austariert, so dass ich mich getraut habe. Das war ein Meilenstein.“

Auf die Frage, wo er nach gut drei Wochen Reha stehe, antwortet er: „Ich bin wieder topfit, wahrscheinlich sogar fitter als zu Zeiten des Lockdowns und dem Training neben dem normalen Job.“ Ein Problem sei sicher noch sein Kopf. „Ich habe immer noch etwas Angst davor, dass eine falsche Bewegung die Verletzung wieder aufbrechen lässt. Daran muss ich noch arbeiten. Aber was die messbare Stabilität des Knies angeht, bin ich auf jeden Fall wieder voll auf der Höhe.“ 

Und? Wie sieht es nach der Reha aus?

Knapp ein halbes Jahr nach der Reha treffen wir Sebastian Drechsler wieder. Wir fragen: Wie ist es ihm ergangen? Wie nachhaltig ist seine Reha gewesen? Sebastian Drechsler erzählt zu Beginn des Gesprächs, dass er am Tag zuvor aus Paris zurückgekehrt sei. „Ein toller Städtetrip. Dreieinhalb Tage diese tolle Stadt und beinahe alles zu Fuß. Wir haben am Tag zwischen 20.000 und 35.000 Schritte gemacht, um uns alles anzusehen. Das Knie hat super gehalten. Eigentlich habe ich überhaupt nicht daran gedacht, dass das Knie meine Schwachstelle ist. Mir taten abends eher die Füße weh und ich war total erschossen, was aber wohl an den gelaufenen Kilometern lag“, sagt Sebastian Drechsler augenzwinkernd. Das Knie habe die ganzen Monate zuvor sehr gut gehalten. Auch über seine ursprüngliche Sorge, er könne bei einem Judo-Kampf Hemmungen haben, das Knie voll zu belasten, hat sich nicht bestätigt: „Vielleicht ist mir da der erneute Lockdown zur Hilfe gekommen. Als Kontaktsport war das Judo im Herbst und Winter ja wieder von Schließungen betroffen, so dass ich gar nicht wirklich auf die Matte gekommen bin. In der Zwischenzeit habe ich durch die normale alltägliche Belastung so großes Vertrauen in mein Knie entwickelt, dass ich mit großer Überzeugung sagen kann: Es hält und ich fühle mich vollkommen sicher, auch bei einem Kampf!“.