Arbeitstherapie im medicos
09.04.2024

Arbeitsabläufe ganz neu erlernen

In der Arbeitstherapie im medicos.AufSchalke werden handwerklich tätige Menschen nach einer schweren Verletzung innerhalb der Reha wieder an ihren Berufsalltag herangeführt. Sie lernen, sich gesünder zu bewegen.

Links an der Wand ist ein offener Dachstuhl angebracht. Ein paar Ziegel liegen schon akkurat auf den Dachlatten, weitere warten noch auf ihre Verarbeitung. Im Raum dahinter gibt es eine Nische, in der zwei Toiletten bereitstehen zum Anbringen, gegenüber können an einer Wand Fliesen gelegt werden. Was ein bisschen wirkt wie ein Ausbildungszentrum für Handwerker und Häuslebauer, erfüllt eben diesen Zweck – nur anders, als man es erwartet. Es ist die arbeitstherapeutische Abteilung im medicos.AufSchalke. Das Angebot richtet sich an Menschen in handwerklichen Berufen, die eines Unfalls, einer Verletzung oder einer Krankheit wegen eine Reha absolvieren. Hier lernen sie, wie sie bekannte Arbeitsabläufe neu gestalten können. So, dass die Bewegungsabläufe gesünder sind, den Körper nicht belasten.

Joaqim Manuel Pereira Pedrosa, kurz Achim Pedrosa, wie er lachend sagt, ist seit ein paar Tagen hier in der Arbeitstherapie. Im Sommer vergangenen Jahres hat er einen Riss der Achillessehne erlitten. Ein Arbeitsunfall. „Da habe ich versucht, einen rollenden Bulli zu stoppen und mich dem entgegen geworfen. Das Auto hat gewonnen“, kann er schon wieder scherzen. Wobei er einen langen Leidensweg hinter sich hat. Hier aber schöpft er Hoffnung. Fleißig übt er an den einzelnen Stationen. Gerade steigt er eine Leiter mehrfach herauf und herunter. „Dabei wird die Achillessehne natürlich stark belastet“, erklärt Melanie Petz, Ergotherapeutin und Leiterin der Arbeitstherapie.

Manchmal kommt die Therapeutin selbst ins Schwitzen

Auf immer neue Situationen müsse sie sich hier einlassen, erzählt sie. Denn so unterschiedlich seien die Berufsbilder, die sie hier kennenlernt. „Ich erfahre ganz viel von den Patienten. Ihren Job können die ja selbst am allerbesten. Aber wir können gemeinsam überlegen, wie wir die Arbeiten gesünder gestalten können.“ Dabei gerät die Therapeutin manchmal auch selbst ins Schwitzen. „Am Dachstuhl zum Beispiel muss ich mitarbeiten. Da üben wir auch das Werfen und Auffangen von Dachziegeln.“ Dachdecker hätten dabei, verrät sie, eine besondere Technik. „Die werfen immer den Ziegel auf die Nase zu, damit man ihn vor dem Gesicht fangen kann.“ Das klingt schon herausfordernd für Fachfremde.

An einer anderen Station ist ein Gerüst aufgebaut. „Hier üben wir nicht nur das Auf- und Absteigen, sondern auch das Anreichen. Dann stehe ich unten und der Patient steht oben und reicht mir etwas an oder auch umgekehrt.“ Der Patient, das darf man hier sagen. „Es kommen vor allem Handwerker zu uns, dadurch ist dieser Bereich schon sehr männerdominiert.“ Durch dieses besondere Klientel sei die Therapie schon manchmal anders. „Der Ton ist lockerer und ich kann auch mal sagen: Keine Müdigkeit vorschützen! Ein paar Wiederholungen gehen noch!“

Viele Arbeitssituationen werden trainiert

Dreht man sich einmal um, steht man schon in der Maurer-Ecke. „Wir haben hier viele Patienten mit Fingeramputationen. Für die ist die Arbeit mit solch unterschiedlichen Oberflächen sehr gut. Denn der Stumpf ist am Anfang mit ganz dünner und empfindlicher Haut überzogen. Diese Menschen müssen das Begreifen solcher Oberflächen erst wieder tolerieren lernen. Und natürlich wird auch die Kraft in den Händen trainiert.“

Noch eine Besonderheit: In der nächsten Raumecke steht ein Lkw-Modul. Auf den ersten Blick erkennt man das kaum. Man schaut zunächst auf eine große Plane mit dem aufgedruckten Logo des medicos.AufSchalke. Auf den zweiten Blick aber sieht man alles, was ein echter Wagen auch im Innenraum zu bieten hat. „Hier üben wir den Ein- und Ausstieg, aber auch das Beladen und Sichern der Ladung“, erklärt Melanie Petz.

Die Arbeitstherapie bereitet auf den Wiedereinstieg vor

Achim Pedrosa läuft derweil über einen kleinen Parcours. Auf nur wenigen Metern ist er dabei mit völlig unterschiedlichen Untergründen konfrontiert. Mal geht er über große Natursteine, mal über ganz kleine und dann über eine kleine, glatte Brücke. Alles Übungen, die ihn zum Ende seiner Reha hin wieder fit machen sollen für den Beruf. Die Arbeitstherapie nämlich ist die letzte Station im Haus. Wer hier angekommen ist, hat vielfach allen Grund zur Hoffnung, bald wieder in den Beruf einsteigen zu können. 

Gleichsam ist es die Aufgabe der Therapeuten herauszufinden, wer das mitunter nicht mehr kann. „Wir sind wie Detektive, wir forschen nach, welche Bewegungen jemand wieder ausführen können wird – und welche nicht“, sagt die Ergotherapeutin und erklärt, die meisten Patienten kommen im Rahmen ihrer ambulanten Reha im medicos.AufSchalke über vier Wochen täglich eine Stunde hier hin, ins Dachgeschoss des Hauses 1. Die Maßnahme könne aber natürlich auch verlängert werden.

Alte Bewegungsroutinen ablegen

Achim Pedrosa hofft, bald in die Wiedereingliederungsmaßnahme und zurück in „seine“ Firma zu können. Auch wenn es bei manchen Bewegungen noch ordentlich zwickt. So wie gerade. An einem höhenverstellbaren Modul soll er Schrauben und Muttern zusammenführen und wieder lösen. Die Herausforderung: Das Gerät ist so ungünstig eingestellt, dass er sich dafür hinhocken oder hinknien muss. Bücken nämlich ist keine gesunde Haltung. Das schade auf Dauer immens dem Rücken, erklärt Melanie Petz und verrät, eigentlich wünsche sie sich eine viel größere Sensibilisierung für dieses Thema. Schon Auszubildende sollten in der Berufsschule lernen, wie man in gesunder Körperhaltung arbeitet. Das könnte viele körperliche Beschwerden verhindern.

„In der Hocke schaffe ich es nicht länger als eine Minute“, sagt Achim Pedrosa und kniet sich rasch mit einem Bein hin. „Auf der Arbeit habe ich das immer anders gemacht“, räumt er ein, dass er immer viel in gebückter Haltung gearbeitet habe. „Davon muss ich wegkommen.“ Der Handwerker lacht. Er weiß gut, dass er dafür früh Eingeübtes und lange Praktiziertes ändern muss. Und das ist nicht einfach. „Aber das wird schon klappen. Ich werde hier wieder fit und dann kann ich auf gesunde Weise weiterarbeiten.“

Arbeitstherapie medicos richtig heben
Achim Pedrosa trainiert Arbeitssituationen
Arbeitstherapie im medicos
Melanie Petz, Ergotherapeutin und Leiterin der Arbeitstherapie in Aktion
Übungen, die Achim Pedrosa zum Ende seiner Reha hin wieder fit machen sollen für den Beruf